Artist Statement
Dieses Statement ist eine Momentaufnahme, eine Stichprobe, eine Bohrung durch das Sediment meines Lebens. Jetzt könnte ich mit einer Analyse beginnen, so wie ich es als Apothekerin gelernt habe. Da stoße ich schnell auf die Frage der statistischen Verlässlichkeit des Ergebnisses. Mindestens sechs Bohrungen in verschiedenen Tiefen wären jetzt nötig, um ein richtiges und präzises Resultat zu bekommen. Aber was heißt denn „richtig“ und was heißt „präzise“? Beide Bewertungen verlangen nach Bezugspunkten, aber auf welchen Ursprung sind diese rückführbar? Die Ausrede sind „Konventionen“, Übereinkünfte, ein allgemeines Verständnis von wahr und falsch.
Jedes Bild von mir ist solch eine Probebohrung in meinem aktuellen Leben. Dabei geht es nur teilweise um Erinnerungen, um Abgleiche zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Es spielt in entscheidendem Maß das mit, was in der Welt IST und was unmittelbar bevorsteht. Das Zeitgefühl bestimmt meine malerischen Mittel, die Farben, Bildformate, den Duktus und das Maß an Abstraktion. Der Bogen spannt sich von expressiver Darstellung menschlicher Figuren über eher ruhige Landschaften bis hin zu großformatigen völlig abstrakten Bildern in verschiedenen Techniken – Öl, Eitempera, Acryl, Gouache.
Familienfotos, Magazin-Ausschnitte oder eigene Fotografien sind Grundlagen meiner figurativen Malerei und verankern mich an einem Zeitpunkt, der zwischen dem Beginn des 20. Jh., der Gegenwart und der im Gespür liegenden Zukunft liegt. Ein gedämpfter farbiger Ausdruck, etwas Verblassendes zeigt sich, wenn dieser Zeitpunkt sehr weit zurückliegt. Meine aus dem Moment entstandenen, frei assoziierten abstrakten Bilder sind wesentlich farbintensiver.
Die Konstante im breiten Ausdrucksrepertoire ist die „Beziehung“, insbesondere in der Zweier-Konstellation, dem Paar. Die romantische Liebe ist dabei nur eine Randerscheinung. Die subtilen Kräfte zwischen zwei meistens ähnlichen Menschen, Polen innerhalb eines Menschen, Bäumen, Punkten oder in Diptychen bilden das Rätsel, das ich erforsche und zu erfassen versuche.
Wir sind technisch in der Lage, fast alles in dieser Welt zu steuern, aber das Mysterium des Selbst und des Zwischenmenschlichen, der Kräfte innerhalb von Gruppen oder riesigen Menschenmassen entschlüpft uns immer wieder. Vielleicht ist das der Grund, warum mich schon als Kind Pilze, besonders wenn sie „Hexenkreise“ bilden, fasziniert haben. Wie schaffen sie es, im Kreis zu wachsen? Was findet im Verborgenen statt? Ob auf der Leinwand, im Foto oder als Gegenstand meiner Dissertation – immer wieder hatten und haben sie ihren Auftritt in meinem Leben.
Ich wage die Prognose und es ist gleichzeitig meine Hoffnung, dass wir nie alle Geheimnisse mit naturwissenschaftlich-technischen Mitteln aufklären werden. Die Triebfeder des Lebens ist das Ungewisse, das Mysterium und mich animiert es, mit jedem Bild ein Stück dieser Flüchtigkeit zu erhaschen. Da es Präzision und Richtigkeit in ihrer Absolutheit nicht gibt und es mir um das Rätselhafte geht, bleiben menschliche Details ungesagt, verwischt und manchmal deformiert. Diese Reduktionen und kleinen Zerstörungen sind oft meine letzten Arbeitsschritte, bevor ein Bild für mich „stimmig“ ist. Es sind minimale, subtile Irritationen, die erst beim zweiten Hinsehen ins Auge des Betrachters springen.